Für Susanne Schloßmacher war das Leben nicht immer einfach: Sie ist transgeschlechtlich und spricht mit EXPRESS über ihren steinigen Weg bis hin zum Coming-out.
Aus Angst und Scham eine Rolle in seinem eigenen Leben spielen - unvorstellbar? Es gibt viele Menschen, die genau das über Jahre hinweg tun, weil sie einfach keine andere Möglichkeit sehen. Auch Susanne Schloßmacher, die heute zwar glücklich als Frau lebt, aber 1965 als Junge geboren wurde, hatte jahrelang mit ihren Zweifeln und Ängsten zu kämpfen.
Vom Mann zur Frau: Susanne spricht über Schloßmacher ihr Coming-out
„Ich habe gewartet, bis mein Innerstes es entschieden hat, deswegen gab es auch keine bewusste Entscheidung, sondern eher die Flucht nach vorne. Ich hatte auch immer wieder noch Zweifel nach dem Coming-out, weil ich das ja über 40 Jahre lang verdrängen konnte“, so die heute 58-Jährige. Mittlerweile gibt Susanne Schloßmacher in ihrem Arbeitsumfeld Workshops und klärt unter anderem über das Themenfeld LGBTIQ, Diversity & Gender und die Bedürfnisse der Community auf.
Schon in der Pubertät hatte Susanne immer wieder den Drang, sich als Frau auszudrücken und zu erfahren. Sie schminkte sich, frisierte sich die Haare weiblich und zog die Kleidung ihrer Mutter an. Erfahren durfte davon natürlich niemand. All das tat sie heimlich, wenn sie alleine zu Hause war.
Im Gespräch mit EXPRESS erzählt sie ihre ganz persönliche Geschichte und was sie letzten Endes zu ihrem Coming-out gebracht hat - und das nach über 40 Jahren Versteckspiel.
„Ich fand, das war mit die schwerste Zeit, wo man erstmal mit sich selber einen Weg finden musste, das irgendwie zu verdrängen. Es durfte niemand wissen und gleichzeitig möchte man es ja aber auch ausführen“, erinnert sich Schloßmacher.
Natürlich spielt dabei auch die Zeit, in der sie groß geworden ist, eine wichtige Rolle: „Also ich hab das Mindset der 60 bis 70er Jahre und ich wusste, das ist irgendwie eine Abartigkeit von mir, das darf ich niemandem erzählen.“
Susanne Schloßmacher hatte Bedürfnisse, die sie nicht so ausleben konnte, wie sie es gerne gewollt hätte. Mit der Zeit wurde jedoch ein Wunsch immer stärker: „Dass eine Fee vorbeikommt und mich zur Frau macht.“ Doch dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. Susanne Schloßmacher lebte weiterhin als Mann, auch wenn es zeitweise Phasen in ihrem Leben gab, wo sie ganz sie selbst sein konnte. Anfang der 2000er konnte Schloßmacher sich dank einer Therapie erstmals outen: „In mir ist eine Frau und die möchte leben.“ Sie entschied sich also, dem nachzugehen: „Dann habe ich das mal gelebt, im privaten Bereich, am Wochenende, mal abends“, so Susanne Schloßmacher.
Doch diese Phase ging schnell wieder vorbei. Ein damaliger Arbeitskollege hatte sie erwischt, er erkannte sie, als Schloßmacher abends als Frau unterwegs war. „Der hat mich von da an wie Abschaum behandelt und von der Liste seiner Jubiläumsfeier gestrichen, was alle anderen verwundert hat“, erinnert sie sich.
Schloßmacher lebt ihre weibliche Identität: „Ich war sauer auf mich selber“
Diese und andere Gründe bewogen sie dazu, ihre weibliche Identität also wieder zurück in eine Schublade zu schieben, wo sie vorerst auch blieb. Erst Jahre später, 2012, konnte sie es nicht länger unterbinden. Susanne Schloßmacher outete sich gegenüber ihrer Frau, die sie 2005 noch als Mann kennengelernt hatte und die sie 2009 heiratete.
Schloßmacher erklärt: „Der Stresspegel war wieder einmal übergelaufen und dann musste ich mich bei ihr outen, da konnte ich nicht mehr in der Rolle bleiben. Da musste ich einfach zeitweise wechseln, hört sich skurril an, aber das war dann halt so.“
Das Verlangen danach, als Frau zu leben, konnte sie zu dem Zeitpunkt schlecht unterdrücken, doch richtig ausleben konnte sie es auch nicht: „Ich war dann auch sauer auf mich selber und beschämt. Ich wusste, meine Frau würde das tolerieren, ich wollte das aber einfach nicht.“
Und es verstrichen weitere acht Jahre, bis Schloßmacher irgendwann bewusst wurde, dass „die nicht festgelegte Identität die zu Beginn 2020 entstandene Panikstörung verursachte.“
Und so kam im Jahr 2020, mitten in der Corona-Pandemie, eins zum anderen. Susanne Schloßmacher kündigte ihrer Ehepartnerin an: „Bei uns wird bald eine Frau einziehen“ - wie das laufen wird, wusste sie zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht so richtig.
Immer an ihrer Seite: ihre Partnerin. „Meine Frau hat das Positive nach dem Outing gesehen und nach zwei Wochen gesagt: ,Die alte Rolle will ich nicht wiederhaben.' Ich hab mich dann mit Vollgas auf den Weg gemacht. Und meine Frau steht zu mir. Sie ist meine größte Unterstützerin“, schwärmt Schloßmacher.
Der Weg bis zum Coming-out: „Es war sehr viel Leid“
Mit 55 Jahren fand die als Junge in Bergheim geborene Susanne Schloßmacher also die Kraft, sich endlich als Trans-Frau zu outen und lebt damit heute bestens. Seit Februar 2021 geht sie auch im beruflichen Umfeld offen mit ihrer neuen Identität um und erfährt dort durchweg positive Reaktionen: „In der Firma ist alles total cool. Meine Chefs gingen von Anfang an sehr unterstützend mit dem Thema um, aber es brauchte gar keine Unterstützung, da sich alle mit mir gefreut haben.“
Doch in einem ist sich Schloßmacher ziemlich sicher: „Es war sehr viel Leid, ich habe das zwar nicht immer so empfunden, weil ich eine Ecke hatte, wo ich es hin drücken konnte, aber trotzdem war es natürlich tagtäglich da, dieses Thema.“
Weiter sagt sie: „Also wenn das Schicksal mir fünf bis zehn Jahre schenken würde in der heutigen Zeit, die würde ich nehmen. Ich möchte aber auch keine fünf bis zehn Jahre zurückdrehen wollen.“
Eine Erfahrung, die neben Schloßmacher womöglich zahlreiche Menschen durchleben, aus Angst, nicht verstanden zu werden. „Das tut weh, wenn man soziale Ausgrenzung erfährt. Was macht man dann? Entweder outet man sich, in der Hoffnung, akzeptiert zu werden, oder man zieht sich zurück“, so Schloßmacher. von KERSTIN VAN KAN vermischtes@express.de